Schuld war nur der schlechte Rasen

Der war schuld daran. Zumindest daran, dass es bei Union nicht wenigstens zu einem Punkt gereicht hat. Obwohl zu wenig, kann der am Saisonende dennoch entscheidend sein. Der Bericht aus Berlin in der Duett-Variante. Von SternschanzeHH und mannimturm.

Wer früher anreist, kann länger saufen

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Morgens halb elf in Ostdeutschland

Mit einem Rucksack voll Bier, Optimismus, Hoffnung und Vorfreude machte sich Grenzenlos-Tours am Freitag mit neu gewählter Reiseleitung auf den Weg nach Berlin. Mit im Gepäck: Kümmerling (im Gedenken an die singenden Zugvögel auf Auswärtsfahrt nach Braunschweig) und Glücks-Kexe (sicher ist sicher). Nicht mit im Gepäck: unser Siebter im Bunde, der aber selbstverständlich via Telepathie und Twitter auf dem Laufenden gehalten wurde.

Doch wo war unser Siebter, während sich die grenzenlose Meute und der restliche braun-weiße Anhang bereits bei bester Laune auf dem Weg in den Osten befand?

Tach auch. Genau, einsam und allein an meinen Bürostuhl gefesselt in Hamburg. Ein Schicksal, mit dem ich sicher nicht alleine da stand und eine Qual der besonderen Sorte: Physisch in Hamburg, gedanklich aber längst schon im Gästeblock: Schön ist das nicht. Während sich meine Freunde – so musste ich anhand zugesendeter Bilder mutmaßen – langsam, aber stetig die Lichter ausschossen, musste ich mich mit einer 80%igen Sonnenfinsternis begnügen.

Ihr habt doch alle ’ne Fahne

Das sonnige Berlin zeigte sich bei Ankunft am Hauptbahnhof von seiner allerschönsten Seite. Bei strahlend blauem Himmel ließen sich strahlende Grenzenlose bei Kiosk-Bier und allerbester Laune auf einer grünen Wiese am Ostkreuz nieder, wo nach und nach weitere braun-weiße Berliner – Freunde der Familie – und ein Unioner im Sakko eintrudelten, und zwar mit einer doch eher unschönen Nachricht: Karten verbummelt. Ergo: „Zwei von euch müssen mit in den Union-Block.“ Ach du kacke!

Hello. This is Hamburg calling. Schön, dass ihr euch schon mal in Berlin breit(!) macht. Ich spurte derweil zum nächstgelegenen Fernbahnhof, um von dort aus wiederum ohne Halt nach Berlin weiterzurasen. Meine Bewegungen von S-Bahn zu S-Bahn, an feierabendsehnenden Menschenmassen vorbei, sind so zielstrebig und elegant, da könnte sich ein Nöthe… ach, lassen wir das. Jedenfalls stimmt die Laufbereitschaft auch vom S-Bahnhof Köpenick bis zum unüberhörbaren Stadion, so dass ich „nur“ 15 Minuten nach Anpfiff drin bin. Apropos Anpfiff. Genau den holten sich die vielen eifrigen Fahnenschwenker aus dem oberen Teil des Gästeblocks ab. Komische Stimmung. Wo war ich da nur reingeraten? Naja, Bier drüber. Wir sind ja schließlich nicht zum Fußball, sondern zum Spaß da.

Blockbildung

Derweil im Union-Block: Zwangskuscheln in Rot-Weiß, die Aufforderung, doch bitte einen 3-Meter-langen, selbstgestrickten Union-Schal mit hoch zu halten (das ist wie Fremdgehen) und ein zugegebenermaßen ziemlich liebenswürdiges Völkchen dort. Statt uns zu dissen, legten die Unioner nämlich Charme an den Tag, frei nach dem Motto: „Guckt mal, bei uns ist es genau so schön, wie bei euch.“ Oder: „Hört mal, wir spielen extra Thees Uhlmann für euch.“

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Einfach gestrickt: Union-Fan präsentiert Schal

Das freundliche Miteinander änderte sich auch während des Spiels nicht. Man war sich relativ einig, dass keine der beiden Mannschaften hohe Fußballkunst zeigte. Motto: Not gegen Elend. Nur wer spieldominierend war, darüber war man sich dann doch uneins. Trotzdem schön zu sehen: Während der Pessimismus bei uns Exil-Braun-Weißen von Minute zu Minute zunahm, trauten uns die eisernen Fans weiterhin bei jedem Konter echte Torgefahr zu. Faszinierend irgendwie. Doch wie mittlerweile jedem bekannt sein sollte, war von echter Torgefahr nicht wirklich etwas zu sehen. Da konnte wohl so mancher Fan im Gästeblock froh sein, dass er eine Fahne vor der Nase hatte.

Stimmt. Knapp 90 Minuten ordentlicher Fußball ohne große Highlights. Möglichkeiten waren auf beiden Seiten ganz rar. Die Stimmung war hingegen – anders als es der vorhin erwähnte Disput rund um die Fahnen im Block vermuten ließ – ziemlich gut. Sowohl das enge Stadion als auch wir Gästefans trugen unseren Teil dazu bei, dass es fast die ganze Zeit richtig laut war. Dass wir den Rest kaum hörten, lag aber wohl nicht daran, dass von dort gar nichts kam. Offensichtlich lässt die Akustik an der alten Försterei einen fast nur den eigenen Block hören. Für die Laune unter den Braun-Weißen war das in jedem Fall zuträglich.

Bis, ja, bis Unions zwölfter Mann – nein, nicht die Fans, nein, ganz sicher auch nicht Himmelmann, sondern Unions Platzwart – mit der spielentscheidenden Aktion für das späte Tor durch Polter sorgte. Fußball ist eben ein Spiel von Unwägbarkeiten, Zufall und manchmal einem riesen Haufen Scheiße. Ein Tritt ins Nichts von Himmelmann nach fast 89 Minuten sorgt dann dafür, dass wir genau das aus Berlin mitnehmen: nichts.

Ja, nichts, außer vielleicht einer interessanten Erfahrung auf der gegnerischen Gegengerade. Denn während sich dort zwei einsame Braun-Weiße nach dem Platzwart-Tor fassungslos in den Armen lagen, wurden sie gefühlt Teil einer riesigen Gruppenumarmung, die zwar voller Freude taumelnder Unioner war, aber vor allem auch voller Mitgefühl und Schulterklopfen. Sinnlos im Abstiegskampf, aber trotzdem durchaus tröstlich. Irgendwie.

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In diesem Sinne: You’ll never senst alone am Ball vorbei!

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Bilder von USP